Fünftelregelung - Steuerersparnis bei außerordentlichen Einkünften

Stefan Parsch
Eine Jubiläumszuwendung oder eine Abfindung im Zuge einer betriebsbedingten Kündigung führt bei einem Arbeitnehmer zu einem ungewöhnlich hohen Einkommen in einem Kalenderjahr. Dasselbe gilt für Selbstständige, die einen Betrieb oder einen Teil davon veräußern. Um solche Steuerpflichtige nicht übermäßig zu benachteiligen, hat der Gesetzgeber eine Steuertarifermäßigung, die sogenannte „Fünftelregelung“, eingeführt. Bei ihrer Anwendung gilt es jedoch, einiges zu beachten.

Hintergrund und gesetzliche Regelung

Dass ein ungewöhnlich hohes Einkommen überhaupt zu einer Benachteiligung von Steuerzahlern führen kann, liegt an der Steuerprogression. Dabei muss jemand mit einem niedrigen Einkommen einen geringeren Prozentsatz davon als Steuer abgeben als jemand mit einem höheren Einkommen. Der Steuersatz steigt also mit der Höhe des zu versteuernden Einkommens.
Für eine Person mit einem Jahreseinkommen von 15.000 € könnte beispielsweise ein durchschnittlicher Steuersatz von 8 % gelten, für eine Person, die 30.000 € verdient hat, ein Durchschnittssteuersatz von 12 %. Im ersten Fall betrüge die Steuer 1.200 €, im zweiten Fall 3.600 €, also das Dreifache. Man kann die Progression dadurch verdeutlichen, dass beim Jahreseinkommen von 30.000 € die ersten 15.000 € mit 8 %, die zweiten 15.000 € mit 16 % versteuert worden sind, woraus sich der Durchschnittssatz von 12 % ergeben hat.

Wenn also das Einkommen eines Steuerpflichtigen in einem Jahr deutlich höher ist als üblich, würde die Steuerbelastung überproportional steigen. Dem wirkt die Fünftelregelung in § 34 EStG (Einkommensteuergesetz) entgegen. Denn sie bewirkt, dass die Steuer so berechnet wird, als wären die außerordentlichen Einkünfte gleichmäßig auf fünf Jahre verteilt worden. Dazu wird ein Fünftel (20 %) dieser Einkünfte zum üblichen Einkommen hinzugerechnet und die Einkommensteuer bestimmt. Zudem wird die Einkommensteuer ohne außerordentliche Einkünfte errechnet. Der Unterschiedsbetrag ist dann ein Fünftel der Steuer für die Einmalzahlung; er wird mit fünf multipliziert und ergibt dann den Steuerbetrag, der zur Einkommensteuer auf die üblichen Einkünfte addiert wird (siehe Beispielrechnung im letzten Abschnitt).
Bis 2003 war eine Abfindung bei einer Entlassung steuerfrei, doch heute gehört sie nach § 24 Nr. 1a EStG zum Einkommen, das versteuert werden muss. Bei einer betriebsbedingten Kündigung besteht übrigens ein Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Bei Einmalzahlungen von Arbeitgebern an ihre Beschäftigten ist die Fünftelregelung bereits beim Lohnsteuerabzugsverfahren anzuwenden (§ 39b Abs. 3 Satz 9 EStG).

Obwohl die Abfindung steuerpflichtig ist, fallen in der Regel keine Sozialversicherungsbeiträge an. Eine Ausnahme existiert für Arbeitnehmer, die freiwillig krankenversichert sind: Sie müssen für Teile der Abfindung Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen.

Anwendungsfälle für die Fünftelregelung

§ 34 EStG gilt sowohl für Arbeitnehmer als auch für Unternehmer/Selbstständige. Für Arbeitnehmer geht es um „Entschädigungen a) als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen oder b) für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit“ (§ 24 Nr. 1a und 1b EStG). Dies sind Abfindungen oder ähnliche Zahlungen. Des Weiteren umfassen die Anwendungsfälle auch Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB (Handelsgesetzbuch) sowie das Aufgeben einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft darauf (§ 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG).

Zum Einsatz kommt die Fünftelregelung auch bei Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG), z. B. Jubiläumszahlungen oder die kumulierte Abgeltung von Überstunden. Eine „mehrjährige Tätigkeit“ ist dabei definiert als eine Tätigkeit, die mehr als zwölf Monate umfasst und sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt (ebd.). Die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) stellen klar, dass diese Regelung grundsätzlich für alle Einkunftsarten gilt, beispielsweise auch für Ruhestandsgehälter und Renten, wenn diese nicht für den laufenden Veranlagungszeitraum geleistet werden (EStR R 34.4).

Wenn der Besitzer eines Grundstücks eine Nutzungsvergütung dafür erhält, dass das Grundstück für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen wird, kommt es vor, dass sich diese Zahlungen verzögern und dann für mehrere Jahren auf einmal überwiesen werden. Falls die Nutzungsvergütungen für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt werden, können sie – einschließlich Zinsen – der Fünftelregelung unterworfen werden (§ 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG).

Bei Unternehmern kann es bei der Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs zu außerordentlichen Einkünften kommen, für die die Fünftelregelung gilt. Ausgenommen davon ist der steuerpflichtige Teil der Veräußerungsgewinne, der teilweise steuerbefreit ist (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG mit dem Verweis auf entsprechende Paragrafen).

Wenn der Unternehmer älter als 55 Jahre oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauerhaft berufsunfähig ist, kann er eine weitere Regelung des § 34 EStG in Anspruch nehmen. Auf Antrag beim Finanzamt kann auf außerordentliche Einkünfte bis zu einem Betrag von fünf Millionen Euro ein ermäßigte Einkommensteuersatz von 56 % des regulären Steuersatzes angewendet werden (§ 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG). Die Regelung kann einem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben gewährt werden (§ 34 Abs. 3 Satz 4 EStG). 

Voraussetzungen für die Anwendung

Die Auszahlung einer Summe, die zu den außerordentlichen Einkünften zu rechnen ist, muss innerhalb eines Veranlagungszeitraums erfolgen, darf also nicht in mehreren Tranchen auf mehrere Jahre aufgeteilt sein. Allerdings hat der BFH mit seinem Urteil vom 13.10.2015 (Az. IX R 46/14) indirekt eine Bagatellgrenze von 10 % festgelegt: Wenn eine Teilzahlung nicht mehr als 10 % der gesamten Zahlung ausmacht, kann auf die außerordentlichen Einkünfte dennoch die Tarifermäßigung (Fünftelregelung) angewendet werden. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat diese Vorgabe mit seinem Schreiben vom 04.03.2016 (Az. IV C 4) für alle Finanzbehörden übernommen.

Mit seinem Urteil vom 04.03.1998 (Aktenzeichen: XI R 46/97) hat der Bundesfinanzhof (BFH) bekräftigt, dass die Fünftelregelung nur dann auf Entschädigungen für entgangenen Arbeitslohn (Abfindung) angewendet werden kann, wenn die Einkünfte im Veranlagungszeitraum höher ausfallen, als für den Fall der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Es muss also eine „Zusammenballung von Einkünften“ gegeben haben, schrieben die Richter. Wenn jemandem zu Ende März gekündigt wird, er eine Abfindung von sechs Monatsgehältern bekommt und er im selben Jahr keine weiteren Einkünfte hat, dann kommt er auf neun Monatsgehälter und die Voraussetzung ist nicht gegeben.

Eine Entschädigung im Zuge einer Entlassung aus einem Dienstverhältnis im Sinne von § 24 Nr. 1a EStG setzt den Verlust von Einkünften voraus, mit denen der Entlassene hätte rechnen können. Die Rechtsgrundlage der geschuldeten Leistung im Rahmen eines Arbeitsvertrages muss durch eine neue Rechtgrundlage ersetzt werden. Das ist in der Regel ein Auflösungsvertrag, in dem auch die Abfindung oder ähnliche Zahlungen geregelt sind.

Unter Umständen findet die Fünftelregelung auch Anwendung bei Angestellten, die selbst gekündigt haben. Das gilt beispielsweise für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), was etwa bei sexueller Belästigung oder Mobbing zum Tragen kommt. Lange Zeit galt, dass der Angestellte unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gestanden haben muss, wenn er einem Auflösungsvertrag zugestimmt hat. Doch der BFH hat mit seinem Urteil vom 13.03.2018 (Az.: IX R 16/17) klargestellt: „Zahlt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, sind tatsächliche Feststellungen zu der Frage, ob der Arbeitnehmer dabei unter tatsächlichem Druck stand, regelmäßig entbehrlich.“ Der BFH wertet also die Zahlung einer Abfindung als Eingeständnis des Arbeitgebers, dass er mit dem Weggang des Angestellten einverstanden ist oder diesen sogar begrüßt.

Wenn die genannten Voraussetzungen gegeben sind, dann braucht der Steuerpflichtige die Anwendung der Fünftelregelung nicht zu beantragen. Denn die Finanzämter sind zur sogenannten „Günstigerprüfung“ verpflichtet: Sie müssen also prüfen, ob die Anwendung der Fünftelregelung für den Steuerpflichtigen günstiger ist als die Nichtanwendung und dann das günstigere Verfahren anwenden.

Berechnungsbeispiele für die Fünftelregelung

Um die Berechnungen übersichtlich zu halten, beziehen sich die beiden folgenden Beispiele auf unverheiratete Arbeitnehmer ohne Kinder. Im ersten Fall erhält ein Angestellter im Zuge seiner Entlassung zum Ende des Jahres eine Abfindung von 25.000 €. Ohne diese Abfindung bleibt ihm nach Abzug von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ein zu versteuerndes Einkommen von 35.000 €. Gerechnet wird wie folgt (Stand 2023):

Zu versteuerndes Einkommen    35.000   
zuzüglich eines Fünftels der Abfindung + 5.000  40.000   
Einkommensteuer auf 40.000 €      7.828 
Einkommensteuer auf 35.000 € (ohne Abfindung)      6.216 
Unterschiedsbetrag  7.828 – 6.216   1.612 
Einkommensteuer für die Abfindung  5 × 1.612    8.060 
gesamte Einkommensteuer (zu versteuerndes Einkommen und Abfindung)  6.216 + 8.060    14.276 

Gegenrechnung - Gesamte Einkommensteuer ohne Fünftelregelung:    

Einkommensteuer auf 60.000 € (35.000 + 25.000)                                                                                       15.242 
      
Der Angestellte hat durch die Anwendung der Fünftelregelung 15.242 – 14276 = 966 € an Steuern gespart. Wenn der Angestellte im folgenden Jahr deutlich geringere Einkünfte hat (z. B. durch einen schlechter bezahlten Job, Arbeitslosengeld oder auch Rente), würde er noch mehr Steuern sparen, wenn er seinen ehemaligen Arbeitgeber veranlassen könnte, die Abfindung erst im folgenden Jahr auszuzahlen. Denn die Steuerersparnis ist am größten, wenn zwischen dem Einkommen und der Abfindung ein großer Unterschiedsbetrag besteht.

Die Steuerersparnis wird ebenfalls größer, wenn der Solidaritätszuschlag ins Spiel kommt, der ab einem Einkommensteuerbetrag von 17.543 € erhoben wird. Dies zeigt der zweite Fall, bei dem das zu versteuernde Einkommen 40.000 € beträgt, die Abfindung jedoch 26.000 €. 

Zu versteuerndes Einkommen    40.000   
zuzüglich eines Fünftels der Abfindung + 5.200  45.200   
Einkommensteuer auf 45.200 €      9.608   
Einkommensteuer auf 40.000 € (ohne Abfindung)      7.828   
Unterschiedsbetrag  9.608 – 7.828   1.780   
Einkommensteuer für die Abfindung  5 × 1.780      8.900   
gesamte Einkommensteuer (zu versteuerndes Einkommen und Abfindung)  7.828 + 8.900      16.728   

Gegenrechnung - Gesamte Einkommensteuer ohne Fünftelregelung:    

Einkommensteuer auf 66.000 € (40.000 + 26.000)                                                                                         17.771   
    davon Solidaritätszuschlag             24

In diesem Fall beträgt die Steuerersparnis 17.771 – 16.728 = 1.043 €.



letzte Änderung S.P. am 29.08.2023
Autor(en):  Stefan Parsch


Autor:in
Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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