Wie Forderungen entstehen und wie sie zu handhaben sind

Stefan Parsch
Eine Forderung ist ein Wort aus der Alltagssprache, die jeder kennt. Doch im Rechnungswesen, im Handels- und Steuerrecht ist „Forderung“ ein Fachbegriff für einen Vermögensgegenstand, mit dem auf eine festgelegte Weise zu verfahren ist. Der folgende Text fasst die wichtigsten Aspekte solcher Forderungen zusammen.

Was Forderungen sind und wie sie entstehen

Laut dem Gabler Wirtschaftslexikon ist eine Forderung ein „Anspruch auf Entgelt für eine erbrachte Leistung.“ Das Entgelt ist in der Regel ein Geldbetrag, es kann aber auch aus einem Sachwert und/oder einer Dienstleistung bestehen.

Durch den Vertrag zum Kauf einer Ware oder die Inanspruchnahme einer Dienstleistung entsteht zwischen den Vertragsparteien ein Schuldverhältnis: Beide sind nun Gläubiger des jeweils anderen und können nach § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eine Leistung einfordern. Wenn eine der Vertragsparteien, z. B. der Verkäufer einer Ware, seinen Teil der Leistung erbracht hat – er also die Ware geliefert hat – dann entsteht bei ihm eine Forderung gegenüber dem Käufer, denn dieser hat seine Leistung – die Bezahlung – noch nicht erbracht.

Genauer gesagt, entsteht die Forderung beim Gefahrübergang, also zu jenem Zeitpunkt, zu dem das Risiko der Beschädigung oder des Verlusts einer Ware vom Schuldner auf den Gläubiger übergeht. Das ist üblicherweise mit dem Abschluss der Lieferung der Fall. Bei einer Dienstleistung entspricht dies dem Abschluss der dienstleistenden Tätigkeit.

Der Zeitpunkt der Rechnungstellung ist dabei nicht relevant. Wenn eine Rechnung eine Woche nach einer Warenlieferung gestellt wird, dann hat zu diesem Zeitpunkt schon eine Woche lang eine Forderung gegenüber dem Kunden bestanden.

Übrigens entstehen beim Einkauf in einem Laden üblicherweise keine Forderungen, da die Ware an der Kasse in bar oder per Kredit-/Bankkarte bezahlt wird. Forderungen existieren also nur dort, wo es zu einem Zeitverzug zwischen der Lieferung einer Ware oder der Vollendung einer Dienstleistung und deren Bezahlung kommt. Letztlich wird dem Kunden ein Kredit gewährt.

Zum Anlagevermögen gehören nach § 247 Abs. 2 HGB (Handelsgesetzbuch) nur Gegenstände, „die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen“. Das ist bei Forderungen nicht der Fall, denn das Zahlungsziel beträgt in den meisten Rechnungen 14 oder 30 Tage, seltener 60 oder 90 Tage. Dementsprechend gehören Forderungen in der Regel zum Umlaufvermögen.

Forderungen in der Bilanz

Dem Gesetzgeber sind Forderungen als Vermögensgegenstände so wichtig, dass er ihnen in der Bilanz nach § 266 HGB einen eigenen Posten samt Unterposten einräumt. Der Posten heißt laut § 266 Abs. 2 lit. B II HGB „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“, die Unterposten sind:
  1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
  2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen
  3. Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht
  4. sonstige Vermögensgegenstände
Nr. 4 ist ein Sammelposten, unter dem alle forderungsähnlichen Vermögensgegenstände aufgeführt werden können, die nicht in die anderen Kategorien passen. Dazu gehören beispielsweise Forderungen gegenüber dem Finanzamt, Gehaltsvorschüsse an Mitarbeiter oder Kautionen.

Forderungen stehen also auf der Aktivseite der Bilanz. Sie haben Gegenstücke auf der Passivseite, nämlich Verbindlichkeiten (§ 266 Abs. 3 lit. C HGB). Verbindlichkeiten sind letztlich auch Forderungen, aber gegenüber dem bilanzierenden Unternehmen.

Um Umfang und Höhe der Forderungen zum Bilanzstichtag zu überprüfen, besteht für Unternehmen oder die von ihnen beauftragten Wirtschaftsprüfer die Möglichkeit, stichprobenartige Saldenprüfungen vorzunehmen. Dabei werden Kunden nach den Verbindlichkeiten gegenüber dem zu prüfenden Unternehmen befragt und das Ergebnis mit den Forderungen verglichen, die in der Bilanz aufgeführt sind.

Vorgaben zum Ansatz und zur Bewertung von Forderungen

Das HGB macht einige Vorgaben dazu, wie Forderungen in der Bilanz anzusetzen und zu bewerten sind. Die wichtigsten Prinzipien sind dabei:
  • Bilanzwahrheit: Dieser Grundsatz ergibt sich aus den Vorgaben, dass im Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände aufgeführt werden müssen (Grundsatz der Vollständigkeit, § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) und dass alle Angaben korrekt sein müssen (Grundsatz der Richtigkeit, § 239 Abs. 2 HGB und § 264 Abs. 2 HGB).
  • Bilanzklarheit (§ 243 Abs. 2 HGB): Der Jahresabschluss muss nicht nur klar gegliedert sein, sondern alle Angaben müssen auch eindeutig sein.
  • Verrechnungsverbot: „Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite (…) verrechnet werden“ (§ 246 Abs. 2 Satz 1 HGB). Forderungen dürfen also nicht mit Verbindlichkeiten verrechnet werden, selbst wenn sie denselben Geschäftspartner betreffen.
  • Vorsichtsprinzip: Es ist grundsätzlich vorsichtig zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB), im Zweifelsfall sollen Vermögenswerte eher zu niedrig und Schulden eher zu hoch angesetzt werden. Für Umlaufvermögen wie Forderungen gilt dabei das strenge Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB): Jeder Zweifel daran, dass die Forderung in voller Höhe beglichen wird, führt zu einer Abwertung der Forderung. Mehr zum Vorsichtsprinzip hier >>
  • Grundsatz der Einzelbewertung: Vermögensgegenstände, wie Forderungen, sind einzeln zu bewerten (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB).

Weitere Bilanzierungsgrundsätze sind hier zu finden >>

Das Vorsichtsprinzip und der Grundsatz der Einzelbewertung führen dazu, dass Forderungen in drei Kategorien eingeteilt:
  • Bei den einwandfreien Forderungen sind keine Gründe bekannt, die dazu führen könnten, dass die Forderung nicht in voller Höhe beglichen wird.
  • Bei den zweifelhaften Forderungen gibt es Anzeichen, dass der geforderte Betrag nicht oder nicht in voller Höhe bezahlt werden wird, z. B. einen Zahlungsverzug oder die Insolvenz des Kunden. In diesem Fall muss eine Wertberichtigung vorgenommen werden. Mehr zu den zweifelhaften Forderungen hier >>
  • Bei uneinbringlichen Forderungen gibt es erhebliche Gründe, die für einen Ausfall der Forderung sprechen. Diese Forderungen sind entsprechend abzuschreiben. Mehr zu den uneinbringlichen Forderungen hier >>

Buchen von Forderungen

Das Führen der Bücher muss zeitgerecht geschehen (§ 239 Abs. 2 HGB), deshalb sind Forderungen zu buchen, sobald bei einer Warenlieferung der Gefahrübergang (s. o.) erfolgt ist oder eine Dienstleistung abgeschlossen wurde. Die Forderung wird stets mit dem Bruttowert gebucht. Wenn Waren mit einem Bruttowert von 3.570,00 € verkauft wurde, lautet der Buchungssatz:
Forderungen aus L. u. L. 3.570,00   an   Umsatzerlöse 3.000,00
                                                         an Umsatzsteuer 570,00
In den Standardkontenrahmen haben „Forderungen aus LuL“ die Kontonummern 1401 ff. (SKR 03) und 1201 ff. (SKR 04). Wenn der Schuldner ein langjähriger Kunde ist, wurde meist ein Debitorenkonto angelegt, das dann im Soll zu buchen ist. Die Konten für die Erlöse mit 19 % Umsatzsteuer haben in den Standardkontenrahmen die Nummern 8400 ff. (SKR 03) und 4400 ff. (SKR 04).

Die Umsatzsteuer wird im Haben separat gebucht, denn alle Unternehmen, die der Sollversteuerung unterliegen (alle größeren Firmen) schulden dem Finanzamt diese Steuer, sobald die Rechnung gestellt ist. Sollte eine Forderung uneinbringlich werden, kann die gezahlte Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückgefordert werden. Das Konto „Umsatzsteuer 19 %“ hat im SKR 04 die Nummer 1776 und im SKR 04 die Nummer 3806.

Wenn der Kunde schließlich per Banküberweisung zahlt, wird wie folgt gebucht:
Bank 3.570,00   an   Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 3.570,00
In den Standardkontenrahmen haben Bankkonten die Nummern 1200 ff. (SKR 03) und 1800 ff. (SKR 04).

Zwei von mehreren möglichen Sonderfällen sind die Gewährung von Skonto und von Rabatten. Skonto ist ein Preisnachlass, der von manchen Unternehmen bei der Einhaltung einer kurzen Zahlungsfrist (wenige Tage) gewährt wird. Das Skonto wird erst bei der Zahlung gebucht, denn erst dann ist klar, ob die Gewährung eines Skontos gerechtfertigt ist. Die Buchung der Forderungen erfolgt also wie im obigen Beispiel. Die Zahlung bei einem Skonto von 3 % wird dann so gebucht:
Bank 3.462,90                                       an   Forderungen aus L. u. L. 3.570,00
Gewährte Skonti (19 % USt.) 107,10
Das Konto „Gewährte Skonti 19 % Ust.“ hat in den Standardkontenrahmen die Nummern 8736 (SKR 03) und 4736 (SKR 04).

Im Gegensatz dazu werden Rabatte üblicherweise direkt vom Rechnungsbetrag abgesetzt. Wenn ein Unternehmen einem Kunden also 10 % Rabatt gewährt, dann würde im bisher verwendeten Beispiel der Rechnungsbruttobetrag 3.213,00 € statt 3.570,00 € betragen. Die Buchungen sind dann entsprechend mit dem niedrigeren Betrag wie oben durchzuführen.

Forderungsmanagement

Es mag Branchen geben, in denen die Zahlungsmoral der Kunden so gut ist, dass kein Forderungsmanagement notwendig ist. Auf die meisten Branchen trifft dies jedoch nicht zu. Deshalb richten die meisten mittelgroßen und großen Unternehmen ein Forderungsmanagement ein. Kleinere Unternehmen können bei Bedarf entsprechende Dienstleistungen in Anspruch nehmen.

Das Forderungsmanagement soll die Liquidität des Unternehmens sicherstellen. Denn bei großen Forderungsbeständen ist ein erheblicher Teil des Betriebsvermögens in Forderungen gebunden. Damit dieser Bestand nicht zu groß wird, verfolgt das Forderungsmanagement den Status aller Forderungen und initiiert Zahlungserinnerungen und Mahnungen, wenn die Zahlungsfrist überschritten wird.

Wenn dies keinen Erfolg bringt, kann ein Inkassounternehmen mit der Eintreibung beauftragt werden. Alternativ kann eine Forderung an eine spezialisierte Firma verkauft werden (Factoring), allerdings gegen hohe Abschläge bei den Forderungen oder hohe Gebühren; doch da die Factoringfirma sofort bezahlt, kann in bestimmten Situationen Liquidität gesichert werden. Weitere mögliche Schritte zum Eintreiben einer offenen Forderung sind ein gerichtliches Mahnverfahren, eine Zwangsvollstreckung und ein Gläubigertitel.

Mögliche Handlungsempfehlungen zum Forderungsmanagement sind:
  • Bei größerem Auftrags- oder Kaufvolumen sollte die Bonität des Auftraggebers/Käufers schon vor einer vertraglichen Vereinbarung geprüft werden.
  • Bei größeren Aufträgen sollten Anzahlungen vereinbart werden.
  • Die Rechnung sollte unmittelbar nach der Leistungserbringung erstellt und versendet werden.
  • Es sollten zumindest für problematische Kunden, besser aber für alle Kunden Lieferantenkredit-Begrenzungen eingerichtet werden; unzuverlässigen Kunden wird kein Kredit mehr eingeräumt, sodass sie bei einer Bestellung in Vorkasse gehen müssen.
  • Mit unzuverlässigen Kunden sollte ein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart werden.
  • Wenn möglich, sollten alle Kunden einer jährlichen Bonitätsprüfung unterzogen werden.



letzte Änderung S.P. am 11.09.2024
Autor(en):  Stefan Parsch


Autor:in
Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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