Unter
Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung werden laut § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1. Handelsgesetzbuch (HGB) Rückstellungen verstanden, die für im laufenden Geschäftsjahr fälligen, aber unterlassenen Aufwendungen für Abraumbeseitigung gebildet werden, nicht aber für künftig noch entstehenden Abraum. Unter Abraum wird die Gesteins- bzw. Erdschicht verstanden, die sich über dem abzubauenden Material, z.B. Kohle oder Erz, befindet. Betroffen sind in erster Linie Unternehmen, die Steinbrüche, Gruben oder Tagebaue betreiben. Die Abraumbeseitigung muss im Laufe des folgenden Geschäftsjahrs nachgeholt werden.
Wofür werden Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung gebildet?
Unter Abraum wird das Material bezeichnet, das die Rohstoffe überlagert oder bedeckt, die gefördert werden sollen, z.B. Erz, Mineralien, Kies oder Kohle. Werden notwendige Arbeiten im laufenden Geschäftsjahr nicht oder nur in einem absolut notwendigen Maß durchgeführt, z.B. auf Grund des bevorstehenden Winters und wegen schlechter Wetterbedingungen, und sollen die Arbeiten im Folgejahr nachgeholt oder beendet werden, müssen hierfür Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung gebildet werden.
Interne und externe Sachverhalte
Betroffene Unternehmen sind entweder aus einer Verpflichtung sich selbst gegenüber oder aus einer öffentlich-rechtlichen, gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung gehalten, Abraum zu beseitigen. Die hierfür entstehenden Aufwendungen sind im ersten genannten Fall im laufenden Geschäftsjahr als Rückstellungen für Abraumbeseitigung auf Grund rechtlicher Verpflichtungen unter
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu erfassen.
Gibt es „Verpflichtungen sich selbst gegenüber“ müssen zum Abschlussstichtag des laufenden Jahres Aufwandsrückstellungen in Höhe der erwarteten Aufwendungen gebildet werden.
Die Rückstellungen müssen sowohl im Handels- als auch im Steuerrecht passiviert werden.
Höhe der Rückstellungen
In welcher Höhe Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung gebildet werden, ist abhängig vom konkreten Sachverhalt. Wichtigster Punkt sind die voraussichtlich anfallenden Kosten, deren Höhe in der Regel geschätzt werden muss. Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen in Höhe des nach „vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages“ anzusetzen. Beim Erfüllungsbetrag müssen handelsrechtlich auch die künftigen Preis- und Kostensteigerungen bei der Rückstellungsbewertung mit berücksichtigt werden.
Da Rückstellungen zu einer Minderung bzw. Verlagerung von Steuerzahlungen aus dem alten in das laufende Geschäftsjahr führen, werden diese bzw. deren Höhe im Rahmen möglicher Betriebsprüfungen besonders kritisch hinterfragt. Entsprechend sollten Unternehmen sorgfältig agieren und möglichst genau planen oder schätzen. Bei Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung handelt es sich meist um erhebliche Summen, umso genauer sollten Unternehmen agieren. Beispielsweise ist es möglich, die Kosten je Kubikmeter auf Basis vergangener Jahre abzuschätzen.
Praxis-Tipp: Grundsätzlich sollte schriftlich dokumentiert werden, warum man welche Rückstellung in welcher Höhe gebildet hat und wie bzw. wo diese verbucht wurden. Das kann zum einen eine wichtige Argumentationshilfe bei Betriebsprüfungen sein. Zum anderen lassen sich die Vorgänge auch nach einiger Zeit im Betrieb besser nachvollziehen, wenn es zu Fragen kommen sollte oder ein Mitarbeiter, der eine Rückstellung gemeldet hat, aus dem Unternehmen ausscheidet. Zudem kann eine Dokumentation Hilfestellung geben, wenn künftig ähnliche Rückstellungen gebildet werden müssen.
Welche wichtigen Gesetzte und Vorschriften gibt es?
Handelsrechtlich ist die Passivierung von Rückstellungen in
§ 249 Abs. 1 HGB (Handelsgesetzbuch) geregelt. Das Steuerrecht verweist in
§ 5 Abs. 1 EStG (Einkommensteuergesetz) auf die handelsrechtlichen Normen. Die Bewertung erfolgt handelsrechtlich u.a. nach § 253 Abs. 1, Nr. 1 HGB, steuerrechtlich nach § 5 Abs. 1 Satz 1. Allgemeine Erläuterungen finden sich z.B. in den EStR (Einkommensteuer-Richtlinien), unter 5.7 Abs. 11.
Zum Thema Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung gibt es zahlreiche
Einzelverfügungen und -regelungen sowie Anweisungen seitens der Finanzverwaltung sowie eine Fülle von zum Teil höchstrichterlichen Urteilen (Bundesfinanzhof (BFH)). Nicht zuletzt sind zusätzlich ggf. Vorschriften des
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) sowie der
internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) zu berücksichtigen. Es ist also erforderlich, laufend die Rechtsprechung zu verfolgen, um alle aktuellen Anforderungen erfüllen zu können.
Wie werden Abraumrückstellungen gebucht?
Die
Buchung von Rückstellungen für unterlassene Abraumbeseitigung erfolgt wie bei anderen Rückstellungen über das Aufwands- mit dem entsprechenden Rückstellungskonto. Bei der Bildung der Rückstellung wird mit Nettowerten bearbeitet, bei der Auflösung muss die Mehrwertsteuer allerdings berücksichtigt werden.
Beispiel-Buchung:
In einem Unternehmen konnte die Abraumbeseitigung auf Grund schlechten Wetters bis zum Jahresende nicht durchgeführt werden. Die Abraumbeseitigung soll im Folgejahr nachgeholt werden. Die geschätzten Kosten (netto) belaufen sich auf 140.000 Euro. Die Abraumbeseitigung erfolgt im Mai des Folgejahres mit einem Aufwand von 150.000 Euro netto. Die Buchungen für die Abraumrückstellungen können dann grds. wie folgt aussehen (unabhängig vom genutzten Kontenrahmen):
Zum Jahresabschluss wird wie folgt gebucht:
Buchungssätze zum 31 Dezember
1. Aufwendungen für Abraum- und Abfallbeseitigung an sonstige Rückstellungen 140.000 Euro
2. Sonstige Rückstellungen an Schlussbilanzkonto 140.000 Euro
3. Gewinn- und Verlustrechnung an sonstige Rückstellungen 140.000 Euro
Im nächsten Jahr wird wie folgt gebucht:
Eröffnungsbuchung zum 01 Januar
1. Eröffnungsbilanzkonto an sonstige Rückstellungen 140.000 Euro
Bei Rechnungseingang nach Erledigung der Arbeiten im Mai muss die Rückstellung erfolgswirksam aufgelöst werden. Die Buchungen hier lauten:
2. Sonstige Rückstellung 140.000 Euro plus Aufwendungen für Abraumbeseitigung 10.000 Euro plus Vorsteuer 28.500 Euro an Bank 178.500 Euro
Die Vorsteuer und die Banküberweisung richten sich nach dem tatsächlich zu zahlenden Betrag. Der Aufwand in Höhe von 140.000 Euro wirkt sich im Vorjahr Ergebnis mindernd aus. Im laufenden bzw. Folgejahr ergibt sich ein zusätzlicher Aufwand für Abraumbeseitigung in Höhe von 10.000 Euro. Damit verringert der zusätzliche Aufwand den Gewinn im neuen Jahr.
letzte Änderung J.E.
am 11.07.2024
Autor(en):
Jörgen Erichsen
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Autor:in
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Herr Jörgen Erichsen
Jörgen Erichsen ist selbstständiger Unternehmensberater. Davor hat er in leitenden Funktionen in Konzernen gearbeitet, u.a. bei Johnson & Johnson und Deutscher Telekom. Er ist Autor von Fachbüchern und -artikeln rund um Rechnungswesen und Controlling. Außerdem ist er als Referent zu diesen Themen für verschiedene Träger tätig. Beim Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller (BVBC) leitet Jörgen Erichsen den Arbeitskreis Controlling.
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