Man könnte annehmen, dass eine lange Bilanz positiv für ein Unternehmen ist, weil es dann viel Umsatz gemacht und wahrscheinlich auch Gewinne erwirtschaftet hat. Demnach wäre eine
Bilanzverlängerung vorteilhaft für eine Firma. Jedoch ist – im Gegenteil – eine
Bilanzverkürzung in den meisten Fällen besser. Weshalb das so ist und was es überhaupt mit der Bilanzverlängerung und -verkürzung auf sich hat, wird im Folgenden beschrieben.
Erfolgswirksame und erfolgsneutrale Buchungen
Jedes Unternehmen benötigt erfolgswirksame Buchungen, denn nur mit ihnen lässt sich Geld verdienen: Einnahmen, etwa durch verkaufte Waren oder vollbrachte Dienstleistungen, werden auf Ertragskonten gebucht. Ausgaben, die betriebsmäßig notwendig sind, um Einnahmen zu erzielen, werden auf Aufwandskonten erfasst. Die Buchungen von Erträgen und Aufwänden betreffen
Erfolgskonten, die beim Jahresabschluss in der
Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) abgeschlossen werden. Die GuV zeigt den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens in einem Geschäftsjahr auf.
Doch nicht jeder Geschäftsvorfall ist erfolgswirksam. Immer wieder müssen auch Buchungen vorgenommen werden, die
erfolgsunwirksam oder erfolgsneutral sind. Solche Buchungen werden auf den
Bestandskonten vorgenommen, die in der Bilanz in Aktivkonten (Mittelverwendung) und Passivkonten (Mittelherkunft) unterteilt werden. Hier gibt es nun vier Möglichkeiten erfolgsneutraler Buchungen:
- Aktivtausch
- Passivtausch
- Aktiv-Passiv-Mehrung oder Bilanzverlängerung
- Aktiv-Passiv-Minderung oder Bilanzverkürzung
Beim
Aktivtausch sind lediglich zwei Konten der Aktivseite involviert. Wenn beispielsweise der Kauf von Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffen bar bezahlt wird, dann sind ein Konto des Umlaufvermögens und das Konto „Kasse“ von der Buchung betroffen. Oder wenn Geld vom Geschäftskonto abgehoben wird, um es in der Kasse vorhalten zu können.
Beim
Passivtausch hingegen werden nur zwei
Passivkonten angesprochen. Das kann beispielweise die Umwandlung einer kurzfristigen Verbindlichkeit bei einer Bank in ein langfristiges Darlehen sein. Oder es wird eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln vorgenommen.
Eines haben Aktivtausch und
Passivtausch gemeinsam: In beiden Fällen ändert sich die Bilanzsumme nicht. Denn es werden ja lediglich Umschichtungen auf einer Seite der Bilanz vorgenommen. Zu einer Bilanzverlängerung kommt es erst, wenn sich mit der erfolgsneutralen Buchung die Bilanzsumme ändert.
Bilanzsumme, Bilanzverlängerung, Bilanzverkürzung
Die
Bilanzsumme ist ein handelsrechtlicher Begriff. Er taucht zwar nicht in § 266 HGB (Handelsgesetzbuch) auf, in dem die vollständige Gliederung der Bilanz verzeichnet ist, also ist die Bilanzsumme keine Bilanzposition. In § 267 Abs. 4a Satz 1 HGB heißt es dann: „Die Bilanzsumme setzt sich aus den Posten zusammen, die in den Buchstaben A bis E des § 266 Absatz 2 aufgeführt sind.“ Demnach ergibt sich die Bilanzsumme eigentlich nur aus der Aufsummierung der Aktiva. Da jedoch in der Bilanz Aktiv- und Passivseite immer ausgeglichen sein müssen, entspricht die Bilanzsumme auch der Aufsummierung der Passivseite. Eine Ausnahme gibt es bei den Aktiva im Falle eines Jahresfehlbetrags bei der GuV: „Ein auf der Aktivseite ausgewiesener Fehlbetrag (§ 268 Absatz 3) wird nicht in die Bilanzsumme einbezogen“ (§ 267 Abs. 4a Satz 2 HGB).
Während beim
Aktiv- oder Passivtausch nur eine Seite der Bilanz in die Buchung einbezogen wird, betreffen Bilanzverlängerungen oder -verkürzungen jeweils die Aktiv- und die Passivseite. Wenn beispielsweise eine Firma mehrere Gegenstände zur Büroausstattung gegen Rechnung auf Zahlungsziel kauft, dann erhöht sich bei der Buchung des Geschäftsvorfalls ein Aktivkonto des Anlagevermögens und gleichermaßen ein Passivkonto bei den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen (LuL). Der Kauf ist noch keine Betriebsausgabe, da die Rechnung noch nicht bezahlt ist; deshalb ist in den Buchungsvorgang kein Erfolgskonto involviert. Allerdings erhöht sich die Bilanzsumme, sodass der Geschäftsvorfall zu einer Bilanzverlängerung führt.
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Wenn die Firma schließlich die Rechnung für die Büroausstattung per Banküberweisung bezahlt, findet eine Bilanzverkürzung statt. Denn es reduziert sich das Bankkonto (Aktivkonto) um den Kaufpreis und um denselben Betrag verringern sich die Verbindlichkeiten aus LuL (Passivkonto). In den folgenden beiden Abschnitten werden vergleichbare Vorgänge genauer dargestellt.
Rechen- und Buchungsbeispiel zur Bilanzverlängerung
Die aktuelle Bilanz der Lange GmbH sieht – stark verkürzt – so aus:
Wie es sich gehört, kommen die Aktivseite und die Passivseite auf dieselbe Summe. Die Lange GmbH nimmt nun für zukünftige Investitionen einen Kredit über 50.000 € auf. Für diesen Geschäftsvorfall lautet der Buchungssatz:
Bank an Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 50.000
Das Guthaben auf dem Geschäftskonto bei der Hausbank ist in einem Aktivkonto verzeichnet und wird entsprechend im Soll gemehrt. Der Posten „Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten“ ist ein Passivkonto und der Betrag wird ins Haben geschrieben. Durch die Kreditaufnahme verändert sich die Bilanz wie folgt:
Die Bilanzsumme ist größer geworden, deshalb sagt man, dass dieser Geschäftsvorfall – die Aufnahme eines Bankkredits – eine Bilanzverlängerung bewirkt hat.
Rechen- und Buchungsbeispiel zur Bilanzverkürzung
Bei der Kurze KG ist dies die Kurzfassung der aktuellen Bilanz:
Die Geschäfte bei der Kurze KG sind gut gelaufen und so ist ein nicht unerheblicher Teil des Umlaufvermögens ein üppiges Guthaben auf dem Geschäftskonto. Das gibt den Geschäftsführern die Möglichkeit, einen früheren Kredit über 300.000 € auf einen Schlag zurückzuzahlen. Die Buchhaltung bucht:
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten an Bank 300.000
Das Passivkonto „Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten“ wird dabei um 300.000 € im Soll gemindert, das Aktivkonto „Bank“ nimmt um dieselbe Summe im Haben ab. Die folgende Übersicht zeigt die Veränderungen:
Durch die Rückzahlung des Kredits ist die Bilanzsumme von 3.300.000 € auf 3.000.000 € geschrumpft. Es hat also eine Bilanzverkürzung stattgefunden.
In der Praxis wird natürlich nicht nach jedem Geschäftsvorfall eine neue Bilanz aufgestellt. Diese
Rechenbeispiele dienen nur der Veranschaulichung. Aber es ist sinnvoll, im Hinterkopf zu behalten, dass vergleichbare erfolgsneutrale Buchungen die Bilanz verlängern oder verkürzen.
Factoring für die Bilanzverkürzung
Beim Blick auf die letzte Tabelle ist zu erkennen, dass die Summe der Passivseite sinkt, weil sich die Summe der Verbindlichkeiten verringert. Die Summe des Eigenkapitals wird jedoch nicht gemindert, sondern sie verbleibt bei 800.000 €. Bei einer niedrigeren Gesamtsumme fallen die 800.000 € stärker ins Gewicht, sodass die
Eigenkapitalquote durch diesen Geschäftsvorfall steigt. Bei der Gesamtsumme von 3.300.000 € beträgt die Eigenkapitalquote rund 24 %. Sinkt die Gesamtsumme auf 3.000.000 €, steigt die Eigenkapitalquote auf knapp 27 %.
Die
Eigenkapitalquote ist eine
wichtige Bilanzkennzahl, an der Kreditinstitute die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens ablesen. Denn bei einer Insolvenz stünde das Eigenkapital als Haftungsmasse für die Gläubiger zur Verfügung. Je höher der Anteil des Eigenkapitals an den Passiva ist, desto geringer wird das Gläubigerrisiko eingeschätzt. Wenn Unternehmen für ihren Betrieb regelmäßig Kredite benötigen, bekommen sie bei einer höheren Eigenkapitalquote bessere Konditionen.
Hier kommt die Finanzdienstleistung „
Factoring“ ins Spiel. Der „Factor“ übernimmt Forderungen aus Lieferungen und Leistungen eines Unternehmens noch vor deren Fälligkeit. Dafür erhält das Unternehmen sofort 80 bis 90 % der geforderten Summe, den Rest nach der Begleichung der Rechnung durch den Schuldner. Das Unternehmen kann mit dem Geld eigene Verbindlichkeiten begleichen, seine Bilanz verkürzen und so die Eigenkapitalquote erhöhen.
Meist übernimmt der Factor die
Buchhaltung zu den Debitoren (Schuldnern), das Mahnwesen, das Inkasso sowie das Delkredere, also das Ausfallrisiko für die Forderung. Wird das Ausfallrisiko nicht vom Factor übernommen, spricht man von „unechtem Factoring“. Das
Factoring kommt die Unternehmen in der Regel günstiger als die Aufnahme eines Kredits, denn die Factoring-Gebühren belaufen sich auf etwa 0,25 bis 1 % vom Umsatz.
letzte Änderung S.P.
am 16.02.2024
Autor(en):
Stefan Parsch
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Autor:in
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Herr Stefan Parsch
Stefan Parsch ist freier Journalist und Lektor. Er schreibt Fachartikel für die Portale von reimus.NET und Artikel über wissenschaftliche Themen für die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Für den Verein Deutscher Ingenieure lektoriert er technische Richtlinien. Mehr als zwölf Jahre lang war er Pressesprecher der Technischen Hochschule Brandenburg.
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