Das 4.
Corona-Steuerhilfegesetz, welches am 19. Mai vom Bundestag verabschiedet wurde und noch dieses Jahr in Kraft tritt, enthält zahlreiche
steuerliche Änderungen. Nicht alle von ihnen stellen effektiv eine Erleichterung für den Steuerzahler dar.
Während der
Verlustrücktrag von einem auf zwei Jahre ausgeweitet und die temporäre Erhöhung des Rücktrags von 1 Mio. auf 10 Mio. Euro verlängert wird, entfällt bei derselben Regelung dauerhaft der teilweise Verzicht auf den Verlustrücktrag. Eine Änderung, die insbesondere
Solo-Selbständige, Unternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften hart trifft. Was der Wegfall des teilweisen Verzichts konkret bedeutet und in welchen Fällen die neue Regelung relevant ist, lesen Sie in diesem Beitrag.
Systematik der Einkünfteermittlung und Verlustverrechnung und Geltungsbereich
Um zu verstehen, wie die Verlustverrechnung in der Besteuerung funktioniert ist es hilfreich sich das
Schema der Ermittlung des eigentlichen zu versteuernden Einkommens verkürzt darzustellen [1]: Die aufsummierten Einkünfte aus den verschiedenen Einkunftsarten (z.B. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) ergeben den Gesamtbetrag der Einkünfte. Von diesem erfolgt der
Verlustabzug nach §10d EStG. Erst danach folgt der Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen.
Verkürztes Schema zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens [2]:
|
Gesamtbetrag der Einkünfte
|
–
|
Verlustabzug nach §10d EStG
|
–
|
Sonderausgaben nach §§10, 10a 10b, 10c EStG
|
–
|
außergewöhnliche Belastungen §§33 bis 33b EStG
|
|
(...)
|
=
|
Einkommen
|
|
(...)
|
=
|
zu versteuerndes Einkommen
|
Fällt bereits vor dem Abzug der Sonderausgaben oder der außergewöhnlichen Belastungen das zu versteuernde Einkommen unter den steuerlichen Grundfreibetrag oder sogar auf null,
entfällt die
steuerliche Wirkung der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ersatzlos, da diese nicht wie Verluste aus Einkunftsarten vor- oder zurückgetragen werden können.
Anzeige
Mit dem RS-Plan erstellen Sie ganz einfach Ihre gesamte Unternehmensplanung, inkl. automatischer Plan-Bilanz und Kapitalflussrechnung. Die Planung kann für insgesamt 5 Jahre erfolgen. Neben detailierter Plan-G+V, Bilanz und Kapitalflussrechnung stehen fertige Berichte mit Kennzahlen und Grafiken zur Analyse des Unternehmens zur Verfügung.
Preis 119,- EUR mehr >>
Gesetzesänderung des §10d EStG
Die alte Regelung des §10d EStG lautete wie folgt: "Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist ganz oder teilweise von der Anwendung des Satzes 1 [Verlustrücktrag] abzusehen." [3] In der durch das 4. Corona-Steuerhilfegesetz eingeführten Formulierung heißt es hingegen: "Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist von der Anwendung des Verlustrücktrags nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt abzusehen" [4]. Das Wort "teilweise" wurde durch "insgesamt" ersetzt.
Der §10d EStG gilt sowohl für alle natürlichen Personen, Selbstständige und Unternehmer, als auch für Gesellschafter von Personengesellschaften und die Verlustverrechnung bei der Besteuerung von Kapitalgesellschaften wie GmbHs und Aktiengesellschaften. Bei letzteren wirkt sich die
Gesetzesänderung aufgrund des abweichenden Schemas der
Einkommensermittlung weniger stark aus. Zudem ist der Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen bei Kapitalgesellschaften nicht vorgesehen.
Folgen für den Verlustrücktrag und die Gewinnermittlung
Infolge der Gesetzesänderung kann auf den Verlustrücktrag nur noch
vollständig verzichtet werden. Das bedeutet entweder der Steuerpflichtige entscheidet sich für einen vollständigen Rücktrag oder er entscheidet sich dazu, den Verlust vollständig auf die kommenden Veranlagungszeiträume vorzutragen.
Gerade, wenn im vorherigen Geschäftsjahr
Gewinne erwirtschaftet und
Steuern gezahlt wurden, ist es aus unternehmerischer Sicht sinnvoll, nach einem darauffolgenden wirtschaftlich schlechten Jahr mit Verlusten schnelle
Liquidität durch den Verlustrücktrag zu erlangen und gezahlte Steuern zurück zu erhalten. Dies wäre bei einem vollständigen Verzicht nach der neuen Regelung nicht mehr möglich.
Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen gehen verloren
Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sind
nicht vortrags- oder
rücktragfähig. Sie werden im Jahr des tatsächlichen Anfalls bei der Steuerberechnung berücksichtigt. Sie können nicht wie Verluste aus der Selbstständigkeit in alte Jahre zurück- oder in neue Jahre vorgetragen werden.
Um effektiv Steuern durch die Verwendung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen zu sparen oder erstattet zu bekommen, ist der Steuerpflichtige darauf angewiesen, dass der
Gesamtbetrag der Einkünfte nach vorrangiger Berücksichtigung etwaiger steuerlicher Verluste oberhalb des
Grundfreibetrags liegt. Beispiele für Sonderausgaben sind
- Kosten für ein Masterstudium,
- Unterhaltsleistungen,
- Vorsorgeaufwendungen oder
- Spenden.
Außergewöhnliche Belastungen sind beispielsweise Krankheits- oder Bestattungskosten.
Beispiel zum Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen - neue vs. alte Regelung
Der Steuerpflichtige hat laut steuerlicher
Gewinnermittlung in 2021 Einkünfte in Höhe von 46.000 Euro. Ihm erwachsen Sonderausgaben in Höhe von 5.500 Euro. Der
Grundfreibetrag soll zur Vereinfachung immer 10.000 Euro betragen.
Der Steuerpflichtige hat laut steuerlicher Gewinnermittlung in 2021 Einkünfte in Höhe von 46.000 Euro. Ihm erwachsen Sonderausgaben in Höhe von 5.500 Euro. Der Grundfreibetrag soll zur Vereinfachung immer
10.000 Euro betragen.
Gesamtbetrag der Einkünfte in 2021
|
|
46.000 Euro
|
abzgl. Sonderausgaben
|
–
|
5.500 Euro
|
= zu versteuerndes Einkommen 2021
|
=
|
40.500 Euro
|
|
|
|
abzgl. Grundfreibetrag
|
–
|
10.000 Euro
|
effektiv zu versteuern
|
=
|
30.500 Euro
|
Der Steuerpflichtige hat effektiv 30.500 Euro in 2021 zu versteuern. In 2022 macht der Steuerpflichtige nun einen
steuerlich anzuerkennenden Verlust in Höhe von – 37.500 Euro. Nutzt er den Verlustrücktrag gehen ihm die 5.500 Euro Sonderausgaben vollständig und unwiederbringlich verloren, da er bereits nach Verrechnung des Verlustes auf der Ebene des Gesamtbetrags der Einkünfte unter den Freibetrag fällt.
Gesamtbetrag der Einkünfte 2021
|
|
46.000 Euro
|
abzgl. Verlustrücktrag aus 2022
|
–
|
37.500 Euro
|
= zu versteuerndes Einkommen 2021
|
=
|
8.500 Euro
|
|
|
|
abzgl. Grundfreibetrag
|
–
|
10.000 Euro
|
Effektiv zu besteuern in 2021
|
=
|
0 Euro
|
Mit Hilfe des teilweisen Verzichts nach der alten Regelung des §10d EStG konnte der Steuerpflichtige auf den Verlustrücktrag
teilweise verzichten und so einen Teil des Verlustes "zurückbehalten", um diesen auf neue Rechnung vorzutragen.
So blieben die Sonderausgaben vollständig steuerlich in 2021 erhalten und wirksam. Zudem konnten die verbleibenden Verluste auf die Jahre 2023 ff. vorgetragen werden. Der Steuerpflichtige erhielt so die
maximale Steuererstattung für das wirtschaftlich schlechte Jahr 2022.
Gesamtbetrag der Einkünfte 2021
|
|
46.000 Euro
|
abzgl. teilweiser Verlustrücktrag aus 2022
|
–
|
30.500 Euro
|
abzgl. Sonderausgaben aus 2021
|
–
|
5.500 Euro
|
= zu versteuerndes Einkommen 2021
|
=
|
10.000 Euro
|
|
|
|
abzgl. Grundfreibetrag
|
–
|
10.000 Euro
|
Effektiv zu besteuern
|
=
|
0 Euro
|
Dies ist nun so nicht mehr möglich. Seit dem 4. Corona-Steuerhilfegesetz kann der Steuerpflichtige sich lediglich zwischen dem vollständigen Rücktrag und einer damit einhergehenden, zum wirtschaftlich schlechten Jahr zeitnahen,
Liquiditätsspritze aufgrund der Steuererstattung und dem vollständigen Vortrag des steuerlichen Verlustes in künftige Veranlagungszeiträume entscheiden.
Bei Verzicht auf den Verlustrücktrag erhält der Steuerpflichtige, obwohl er steuerlich anzuerkennende Verluste erzielte,
keine Steuererstattung. Er kann erst im Jahr 2023 wieder Verluste mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte verrechnen. Auch dann besteht wieder die Gefahr, dass bei einem niedrigen steuerlichen Gesamtbetrag der Einkünfte und hohen außergewöhnlichen Belastungen sowie Sonderausgaben diese ihre steuerliche Wirkung aufgrund der vorrangigem Verlustabzugs verlieren.
Fußnoten:
[1] Siehe dazu §2 EStG
[2] Siehe auch R2 EStR
[3] §10d (1) S. 5 EStG alte Fassung
[4] §10d (1) EStG neue Fassung
letzte Änderung A.R.
am 08.11.2023
Autor(en):
Alexander Rodosek
Bild:
Bildagentur PantherMedia / Andriy Popov
|
Autor:in
|
Herr Alexander Rodosek
ist Mitgründer der Plattformen meinBafoeg.de und dasElterngeld.de. Als Geschäftsführer leitet er in seinem Unternehmen die Bereiche Recht und Finanzen. Rodosek absolvierte ein Wirtschaftsrechtstudium (LL.B.) in Köln und erwarb den Master in Wirtschaftsprüfung, Steuern, Recht und Finanzen (M.Sc.). Er verfügt über Berufserfahrung in der Versicherungswirtschaft, verfasst regelmäßig Fachbeiträge für Controlling-Portal.de und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fakultät für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln.
|
weitere Fachbeiträge des Autors
| Forenbeiträge
|
Bleiben Sie auf dem Laufenden mit unserem Newsletter
Tragen Sie sich für den
kostenfreien und unverbindlichen
Newsletter von Rechnungswesen-Portal.de ein und erhalten Sie jeden Monat aktuelle Neuigkeiten und Urteile aus dem Rechnungswesen und Steuern. Wir informieren Sie über neue Fachartikel, über wichtige News, aktuelle Stellenangebote, interessante Tagungen und Seminare. Wir empfehlen Ihnen spannende Bücher und geben Ihnen nützliche Excel-Tipps. Verpassen Sie nie mehr wichtige Diskussionen im Forum und stöbern Sie in Software-Angeboten, die Ihnen den Arbeitsalltag erleichtern.
Beispiel-Newsletter >>
Jetzt Newsletter gratis erhalten
Eigenen Fachbeitrag veröffentlichen?
Sie sind Autor einer Fachpublikation oder Entwickler einer Excel-Vorlage? Gern können Sie sich an der Gestaltung der Inhalte unserer Fachportale beteiligen! Wir bieten die Möglichkeit Ihre Fachpublikation (Fachbeitrag, eBook, Diplomarbeit, Checkliste, Studie, Berichtsvorlage ...) bzw. Excel-Vorlage auf unseren Fachportalen zu veröffentlichen bzw. ggf. auch zu vermarkten.
Mehr Infos >>