Die Metropolregion
Berlin ist wirtschaftlich immer noch ein
Entwicklungsland - auch was die Berufsaussichten für Bilanzbuchhalter und
Controller angeht. Das sagte Volker Hungermann, Gründungsmitglied des BVBC-Landesverbandes Berlin-Brandenburg, im Interview zum 20. Geburtstag des Landesverbandes. Auch der Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller müsse der gestiegenen Bedeutung Berlins Rechnung tragen. Die größte Herausforderung für den Landesverband sieht Hungermann darin, junge Controller und Bilanzbuchhalter für die aktive Verbandsarbeit zu begeistern.
Herr Hungermann, wie haben Sie als Gründungsmitglied des Landesverbandes Berlin-Brandenburg die Tage vor 20 Jahren erlebt?
Volker Hungermann:
Der Anlass war, dass 1991 viele ostdeutsche Kollegen bei Christoph Gottwald [1] die Ausbildung als Bilanzbuchhalter absolviert haben. Herr Gottwald und ich haben uns dann mit Kollegen getroffen. Hauptsächlich waren das Manfred Helm, Volker Hess und Helmut Gabbert: Bei einer Sitzung an der Französischen Straße, am Gendarmenmarkt, haben wir beschlossen, den Landesverband Berlin-Brandenburg zu gründen.
Was waren die größten Herausforderungen in der Gründungsphase?
Hungermann: Die größte Herausforderung war, die Mitglieder aus Ost- und West-Berlin zusammenzubringen und die Fortbildungen in Berlin und Brandenburg voranzutreiben. Wir haben das erste Seminar 1993 im Tegeler Airport Hotel angeboten. Hans-Jürgen Bathe sprach über das Umsatzsteuerbinnenmarktgesetz. Da festigte sich der Wunsch, dass wir ein eingetragener Verein werden wollten. Das wurde dann am 17. September 1994 umgesetzt. Der Landesverband Nordrhein übernahm damals in der Gründungsphase die Patenschaft für unseren Landesverband.
Wenn Sie auf 20 Jahre Landesverband Berlin-Brandenburg zurückblicken: Was ist aus Ihrer Sicht gut gelungen, und was bedauern Sie?
Hungermann: Ich bin zufrieden mit der Arbeit. Der Verband entwickelt sich solide, der Vorstand leistet gute Arbeit. Er bietet interessante Fortbildungen an, mit denen er neue Mitglieder anspricht. Schade ist, dass es uns nicht gelungen ist, engere Kontakte zur IHK Berlin hätte zu knüpfen. Man könnte über die IHK die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und den Bilanzbuchhaltern noch vertiefen. Das liegt aber nicht an unserem Berufsverband, sondern an der IHK.
Läuft das in anderen Landesverbänden aus Ihrer Sicht besser?
Hungermann: Ich weiß, dass die großen IHKs in Nordrhein-Westfalen viel bessere Kontakte zum BVBC haben. Schon durch die räumliche Nähe zu Bonn, wo unsere Bundesgeschäftsstelle ist. Ich arbeite im Expertenkreis Bilanzbuchhalter Kosten-Leistungsrechnung mit. Wenn ich zu Veranstaltungen nach Bonn fahre und mir ansehe, wo die anderen Experten herkommen, merkt man schon, dass Bonn zentraler wahrgenommen wird als Berlin.
Hat Berlin-Brandenburg aus Ihrer Sicht noch Aufholbedarf, was den Bundesverband und die Wirtschaft angeht?
Hungermann: Hier, in Berlin sitzt die Politik. Wenn wir mehr in die Lobbyarbeit investieren könnten und würden, dann wäre das nicht nur für den Landesverband, sondern auch für den Bundesverband vorteilhaft.
Wäre das etwas, das Sie sich für die nächsten 20 Jahre des BVBC-Landesverbandes Berlin-Brandenburg wünschen würden?
Hungermann: Ich würde mir wünschen, dass der Bundesverband mindestens mit einer größeren Geschäftsstelle in Berlin Präsenz zeigt und sich nicht alles in Nordrhein-Westfalen konzentriert. Hier wird schließlich die Politik gemacht.
Sie hatten in Ihrer Ansprache zu Beginn der 20-Jahrfeier Ihrer Sorge um die Altersstruktur des Landesverbandes Ausdruck verliehen. Können Sie dazu noch etwas sagen?
Hungermann: Vor 20 Jahren war das Engagement der 30- bis 40-Jährigen im BVBC stärker ausgeprägt als zum heutigen Zeitpunkt. Heute sind die aktiven Mitglieder im Alter von 50 bis 65 Jahre zu sehen. Das bedeutet, wir müssen noch mehr und offensiv die jungen Bilanzbuchhalter und Controller zur Verbandsarbeit gewinnen.
Haben Sie eine Erklärung für die Veränderungen in der Alterststruktur?
Hungermann: Da muss ich spekulieren. Das liegt sicher daran, dass wir Schwierigkeiten haben, für uns zu werben. Wir können nicht in jeder Schule für uns werben und in der IHK auch nicht. Außerdem habe ich den Eindruck, dass das große Angebot an Aktivitäten hier, in Berlin, junge Leute oft davon ablenkt, sich auf den Beruf und ihre Fortbildung zu konzentrieren. Hinzu kommt, dass Fachkräfte hier noch nicht so stark nachgefragt werden wie in Hamburg oder Frankfurt. Besonders deutlich merkt man das an den Berufsaussichten für Controller.
Hat Berlin also auch Aufholbedarf was Berufsaussichten für Bilanzbuchhalter und Controller angeht?
Hungermann: Berlin ist wirtschaftlich momentan noch Entwicklungsland. Den Stand von Hamburg oder Frankfurt am Main haben wir noch lange nicht erreicht. Es gibt noch zu viele Wirtschaftsbereiche, in denen wir zu schwach sind. Da sehe ich auch den Wirtschaftssenator in der Verantwortung.
Fußnote:
[1] Christoph Gottwald war Präsidiumsmitglied im Bundesverband der Bilanzbuchhalter (BVBB), dem Vorläufer des BVBC.
letzte Änderung W.V.R.
am 21.04.2024
Autor(en):
Wolff von Rechenberg
Bild:
reimus.NET / von Rechenberg
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Autor:in
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